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Daten:
Prägerechte:
Korbach - Hansestadt
Regentschaft:
60
von:
1397
bis:
1569



Merianstich (nach Dilich) erstmalig 1605 gedruckt

Es ist unbedingt berechtigt, die Zugehörigkeit Korbachs zum Städtebund der Hanse bereits für das 14. Jahrhundert als gesichert anzunehmen. Urkundliche Zeugnisse darüber hat allerdings erst das 15. Jahrhundert hinterlassen. Das überzeugendste urkundliche Zeugnis wurde 1494 ausgefertigt, und zwar in Köln. 1494 treffen sich die Vertreter der Kölner Hanse zu einer Regionaltagung in Wesel. Im Verlauf ihrer Beratungen stellen sie ein Verzeichnis von kleineren Städten zusammen, „die früher die Freiheiten der Hanse gebraucht hätten und sie zum Teil noch jetzt gebrauchten“. Insgesamt kommt man auf 29 Städte, die mittelbare bzw. passive Mitglieder des Hansebundes sind - darunter ist Korbach.

Das Ergebnis dieses regionalen Kölner Hansetages wird im weiteren Verlauf des Jahres 1494 auf der Hauptversammlung der Hanse, der »Bremer Tagfahrt« (Hansetag) vorgelegt, einem der historisch bedeutenden Hansetage. Er wurde abgehalten, um einem gewissen Niedergang der Hanse Einhalt zu gebieten. Zwei Jahre zuvor hatte Christoph Columbus die »Neue Welt« entdeckt und eine Entwicklung eingeleitet, die zu einer Verlagerung der Fernhandelsströme führte: weg vom Osten Europas, hin nach Übersee. Deshalb war 1494 dem Hansetag die Aufgabe einer organisatorischen Neuordnung gestellt. Bei Verhandlungen über »Matrikel und Tohopesate« (in der Sprache unserer Zeit etwa: über die Höhe der Beiträge und die Bündnisverpt1ichtungen im Verteidigungsfall) übergibt der Vertreter der Stadt Köln die zuvor in Wesel dokumentierte Städteliste. Dadurch wird Korbach bei der Neuordnung der Gesamthanse als Mitglied registriert.

Ein zweiter, etwas älterer urkundlicher Beweis stammt aus dem Jahre 1469 und führt ein weiteres Mal nach Köln. Die führende binnenländische Hansestadt am Rhein führt einen Rechtsstreit vor einem Brüsseler Gericht. Um diesen zu ihren Gunsten zu beeinflussen, legt die Stadt Köln eine lange Liste von Hansestädten vor, die von ihr angeführt werden. An 34. Stelle steht Korbach.

An nachprüfbaren Fakten fehlt es also nicht. Die Gerichtsakten von 1469 und die Versammlungsprotokolle von 1494 belegen einwandfrei, daß Korbach Hansestadt war. Gegenüber den archivarischen Belegen für das 15. Jahrhundert sind die steinernen Beweise rund um den Altstädter Markt für das 14. Jahrhundert keineswegs von minderer Qualität. …

… An Zeugen, die zu einer Rückbesinnung auf die Hansezeit einladen, mangelt es in Korbach nicht. Hier wie wohl in allen ehemaligen Hansestädten wird die Zugehörigkeit zur Hanse als eine Geschichtsepoche betrachtet, die mit städtischer Freiheit und wirtschaftlichem Wohlstand einherging. Obwohl diese Zeit schon vor mehr als 300 Jahren zu Ende gegangen ist, lohnt es, noch einmal zu den Anfängen zurückzukehren und zu fragen: Wie konnte die Hanse diese geschichtsmächtige Kraft werden? Inwieweit hatte Korbach daran Anteil?

Im 12. Jahrhundert bildete sich eine bruderschaftlich verbundene Genossenschaft von Kaufleuten, die sich für ihre gefährlichen Kauffahrten gegenseitigen Beistand zusicherten, in ihren Interessengebieten, Niederlassungen und Kontoren außerhalb des Reiches gemeinsame Privilegien besaßen, dort aber getrennt ihren Geschäften nachgingen. »Hansa« bedeutete im Althochdeutschen nichts weiter als eine Schar, Gemeinschaft. Seit Mitte des 13. Jahrhunderts haben sich auch die Städte, aus denen die Kaufleute stammten, zu einem zunächst lockeren Bund zusammengefunden, aus dem sich ab Mitte des 14. Jahrhunderts ein förmliches Bündnis entwickelte. Der genossenschaftliche Zusammenschluß hat sich also von der Kaufmanns-Hanse zur Städte-Hanse entwickelt. Die Städte-Hanse war der Kaufmanns-Hanse übergeordnet. Während ihrer Blütezeit im 15. Jahrhundert umfaßte die Hanse etwa 200 Städte. Das machte eine regionale Gliederung in sogenannte Drittel erforderlich. Es entstand das lübische Drittel mit dem Hauptort Lübeck, das sächsisch-preußisch-livländische Drittel mit Braunschweig an der Spitze und das westfälische Drittel mit zunächst Dortmund, später Köln als Hauptort. Zu diesem gehörte Korbach.

Es führt eine direkte geschichtliche Verbindungslinie von Korbach nach Köln. Köln war im Mittelalter die größte Stadt des Deutschen Reiches. Im 14. Jahrhundert hatte sie schon 40000 bis 50000 Einwohner, weil aus den Einzugsgebieten der Kölner Handelstätigkeit ein ständiger Zuzug erfolgte. Die Geschäftsverbindungen Kölns reichten von Flandern und Brabant nach Oberdeutschland und von England bis weit in den Ostseeraum hinein, beschränkten sich also nicht nur auf das Gebiet der Hanse. Diese weiträumigen und bereits in vorhansischer Zeit gewachsenen Geschäftsinteressen mochte Köln nicht zugunsten der Hanse einschränken. Dadurch kam es zu Konflikten mit Lübeck und in deren Folge 1471 zu einer »Verhansung« Kölns. Diesem Ausschluß aus der Hanse folgte später jedoch ein Wiedereintritt, verbunden mit einer um so stärkeren Kölner Position. 1494, im Zuge der erwähnten organisatorischen Neuordnung, löste Köln im westfälischen Drittel den bisherigen Hauptort Dortmund ab und übernahm selbst die Führung. Daß Köln spätestens dabei, wahrscheinlich aber schon früher, umfassende Leitungsfunktionen zufielen, zeigt eindrucksvoll das Beispiel Korbachs.

Der wirtschaftliche Eint1uß, der dank dieser Entwicklung vom Kölner Rathaus auf alle angeschlossenen Städte ausging, kann kaum überschätzt werden. Köln kontrollierte den Waren verkehr auf dem Rhein durch sein Stapelrecht: Die Kaut1eute mußten in Köln ihre Güter ausladen und zum Kauf anbieten. Ebenso konnte Köln Eint1uß auf den Warenverkehr nehmen, der sich auf den Fernhandelsstraßen bewegte. Ob westfälische Waren über den Hellweg von Paderborn - Dortmund her transportiert oder über Kassel - Korbach - Attendorn an den bzw. über den Rhein geführt wurden, Köln kam dank seiner verkehrsgünstigen Lage damit immer in Berührung.

Deshalb konnte Köln auf Hansetagen den ersten Platz beanspruchen. Allerdings hat nur einer der Hansetage, der von 1367, in Köln selbst stattgefunden. Der aber war von historischer Bedeutung, weil er die regionale Gliederung des groß gewordenen Städtebundes festlegte. Der »Hansasaal « im Kölner Rathaus erinnert bis heute daran. Die anderen Zusammenkünfte der Mitgliedstädte erfolgten meistens in Wesel. Immerhin: Von dieser mächtigen Handelsmetropole angeführt zu werden und zum Kölner Hansedrittel zu gehören, dürfte der kleinen Hansestadt Korbach - in der Grafschaft Waldeck und damit außerhalb der Grenzen des kurkölnischen Herrschaftsgebietes gelegen - überwiegend zum Vorteil gereicht sein.

Zweifellos noch wesentlich intensiver als zu Köln waren die Beziehungen Korbachs zur größten und mächtigsten Stadt Westfalens im 13. Jahrhundert, zu Soest. Auch Soest war eine führende Hansestadt, war Vorort und Vertreter vieler Städte auf den großen Hansetagen. Ob und wann Korbach von Soest vertreten wurde, ist urkundlich zwar nicht belegt, aber anders kaum denkbar. Die Verbindung war so eng und unterstützend, daß die Bedeutung Soests für die geschichtliche Entwicklung der Stadt Korbach nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Soest hatte schon Pate gestanden, als der befestigte Reichshof Curbicke sich weiterentwickelte, zunächst zum Marktort und nach der Jahrtausend-Wende zur Stadt. Damals gehörte Korbach - vereinfacht gesagt - dem Bischof von Paderborn, und die Grafen von Waldeck waren Schutzvögte des Hochstifts Paderborn. Auf Bitten von Graf Widekind von Waldeck verlieh Bischof Bernhard H. den Bürgern von Korbach 1188 das Soester Stadtrecht.

Dadurch erlangte Korbach weitreichende städtische Freiheiten sowie die Gerichtshoheit. Mit Soester Stadtrecht ausgestattet zu sein, bedeutete im 12. Jahrhundert so etwas wie Entwicklungshilfe. Darüber hinaus war Soester Stadtrecht 1188 nicht nur eine Verwaltungs grundlage, sondern auch eine Ehre. Korbach gelangte dadurch gleichsam in die gehobene Gesellschaft deutscher Gemeinwesen. Lübeck z. B., die bedeutende Hafen- und führende Hansestadt, hatte nur 30 Jahre vor Korbach das Soester Stadtrecht erhalten. Viele weitere damals große Städte erst in späterer Zeit. Insgesamt zählen zur Soester »Stadtrechtsfamilie« 67 bekannte Namen. Übrigens: Der Ruhm, die erste dieser Städte gewesen zu sein, gebührt Medebach. Bereits 1144, also lange vor Korbach und schon zu denkbar frühester Zeit, übernahm Medebach das Soester Stadtrecht, das in diesem Zusammenhang überhaupt erst schriftlich fixiert wurde.

Das Soester Stadtrecht wurde zur Grundlage eines eigenen Korbacher Stadtrechts, das erstmals 1434 im Stadtprotokollbuch aufgezeichnet wurde. Diese hohe mittelalterliche Rechtskultur ist nicht nur schriftlich nachweisbar, sondern in der Altstadt vorzeigbar in mehreren figürlichen Rechtsdenkmälern. Der Roland am Rathaus ist das bekannteste. Diese Zeugen eines hochentwickelten Rechtswesens werden heute allerdings vorwiegend mit dem Kriminalbereich in Verbindung gebracht. Wenn einzelne Artikel beispielhaft zitiert werden, dann etwa solche: »wie ein Landmann zu bestrafen ist, . . . welcher einem Gast in einer Schenke seinen Rock gewaltsam auszieht« oder »wie es gehalten werden soll, wenn einer die Tochter, Schwester oder sonstige weibliche Verwandte eines Bürgers entführt«.

Solche plastischen, phantasieanregenden Beispiele verstellen leicht den Blick dafür, daß das Soester Stadtrecht in seinen wesentlichen Teilen ein Marktrecht war und deshalb erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hatte. Zum Beispiel durfte ein Kaufmann, solange er als »geringer Bemittelter« galt, nur Kommissionshandel betreiben. Damit sollte er die Möglichkeit bekommen, zunächst Barmittel anzusammeln (zu sparen!), um auf diese Weise kreditwürdig zu werden. Erst dann durfte er Eigenhandel betreiben. So weise war der Gesetzgeber schon im 12. Jahrhundert. Außerdem war er streng. Denn von eindeutiger Strenge diktiert sind z. B. die Bestimmungen über die Pflichten der Amtspersonen, über Maße und Gewichte, die Vorschriften zum Erbrecht usw.

Soest selbst dürfte den Höhepunkt seiner Entwicklung im 13. Jahrhundert erlebt haben. Damals hatte die Stadt 13000 Einwohner und war in dem ausgedehnten Herrschaftsgebiet seines Territorialherrn, des Erzbischofs von Köln, eine der größten, reichsten und einflußreichsten Städte. Im 14. Jahrhundert hat sich seine Vorrangstellung etwas relativiert. Es gehörte damals zum sogenannten Bund der Vierstädte, den die Reichsstadt Dortmund (etwa 10000 Einwohner), die Bischofsstädte Münster (8000) und Osnabrück (6000) zusammen mit Soest gebildet hatten. Den vier Städten lag hauptsächlich an der Sicherung der Verkehrswege: der Südwest/Nordost-Diagonale durch Westfalen in den Ostseewinkel bei Lübeck und des Hellwegs, dieses bedeutenden Ost/West-Handelsweges von der Weser nach Köln.

Die skizzierten damaligen Handelsinteressen zeigen, wieviel Korbach Soest zu verdanken hat. Korbach hat zweifellos die entscheidenden Impulse für seine wirtschaftliche Entwicklung aus Soest bezogen, also auch für den Wohlstand, dessen sich die waldeckische Stadt in der Hansezeit erfreuen konnte. Unter damaligen Gegebenheiten dürfte dank der Zugehörigkeit zur Hanse die wirtschaftliche Verflechtung der Kaufleute durchaus vergleichbar sein mit der MarktsteIlung, die sich heute Reifen, Stahlmöbel oder Weidezäune aus Korbacher Produktion errungen haben.

Die beiden Straßen, die ursächlich dazu beigetragen haben, daß Korbach zur Hansestadt aufsteigen konnte, sind von jeher Fernverbindungsstraßen gewesen. Die eine hat beispielsweise schon der spätere Kaiser Karl der Große benutzt, der als Reichsregent und als Heerführer nahezu ständig unterwegs war. Recht beziehungsvoll heißt in Korbach ein Teilstück noch heute »Heerstraße«. Auf dieser Straße ist Karl der Große nach Norden gezogen, als es (732) galt, die alte Sachsenfeste Eresburg an der Diemel zu erobern oder (777) in Paderborn den Papst zu treffen.

Die andere Straße, eine durch Korbach führende Ost-West -Verbindung, könnte mit gleicher Berechtigung »Kaiserstraße« heißen. Auf ihr zog Kaiser Karl IV im Januar 1349 mit Gefolge aus seiner böhmischen Residenz Prag kommend nach dem Westen des Reiches. Er passierte Korbach auf seiner Brautreise. Der erste von mehreren deutschen Kaisern, die vom Haus Luxemburg gestellt wurden, hatte eine »Nachbarin« als Gemahlin auserkoren: Anna von der Pfalz.

Ein kaiserlicher Brautzug - das war zur Hansezeit die absolute Ausnahme. In den Jahren, als in Korbach die »Steinkammern« erbaut wurden, weil man mehr Lagerraum für Handelswaren benötigte, bildeten Fuhrwerke mit Baumaterial, vor allem aber die pferdebespannten Planwagen der Kaufleute die alltägliche Regel.

Die Reisenden, die auf dem Korbacher Altstädter Markt eintrafen, wo sich die vielbenutzten Süd-Nord- und Ost-West-Transitstrecken kreuzten, konnten von weit her gekommen sein. Der letzte Reisetag war beschwerlich genug. Zwischen Viermünden und Sachsenberg hatten die Reisenden die Orke an der Totenfurt passiert und waren in einem mühsamen Anstieg zur Fürstenkirche östlich von Fürstenberg hinaufgekommen und damit in die Grafschaft Waldeck. Dann war es ostwärts an Immighausen vorbeigegangen und weiter oberhalb Dorfitter über den Kappenberg nach Korbach.

Hier luden dann, vielleicht am Abend eines strapaziösen, regnerischen Reisetages, rings um den Markt behagliche Gasthäuser und warme Ställe Mann und Roß zur Rast ein. Wollten sie anderntags in Richtung Erfurt/Leipzig weiterziehen, führte die Straße (wie heute die B 251) über Meineringhausen, Sachsenhausen, Freienhagen. Noch vor Kassel mußte die Tagesetappe wieder beendet und abermals eine abendliche Rast eingelegt werden.

Sollte die Reise aber nach Norden fortgesetzt werden, erwartete die Reisenden bereits nach etwa drei Stunden wieder eine größere Steigung: Nördlich von Twiste ging es über den Trappenberg. Er blieb nicht die einzige Höhe bis zur Kreuzung mit dem "Plackweg", einer Höhenstraße, die von Brilon kommend über die Eresburg nach Warburg führte. Wenn im Diemeltal der waldeckische Grenzfluß durchquert war, wollten die Ausläufer der Egge überwunden werden, ehe die Paderborn vorgelagerte ziemlich ebene Börde die Fahrt erleichterte.


Handelswege des Spät-Mittelalters Focus Corbach

Wie die Orte und der beschwerliche Streckenverlauf andeuten, führten die mittelalterlichen Handelsstraßen bevorzugt über die Höhenrücken. Diese eigneten sich für den Wagenverkehr besser als die meist versumpften Niederungen und Täler, die deshalb an ihren engsten Stellen durchquert wurden. Trotzdem bereiteten die wenig befestigten und von tiefen Radspuren holprigen Straßen erhebliche Probleme. Dazu drohten ständig Gefahren durch umherstreifende Raubritter und Räuberbanden.

Die zweifellos wichtigste Fernstraße war die unter dem Namen »Heidenstraße« bekannte Verbindung Köln - Kassel- Leipzig. Vor Korbach war ihre Route geteilt. Ab Küstelberg konnte man sich für einen Weg über Medebach entscheiden oder für einen anderen über Deifeld - Oberschlehdorn.In Korbach kamen die bei den Wege wieder zusammen.

Auf dem Altstädter Markt in Korbach wurde die Heidenstraße gequert von der anderen großen Fernstraße, dem »Frankfurter Weg«, auch »Bremische Straße« genannt. Diese Süd-Nord- Verbindung kam von Frankfurt am Main über Marburg und Frankenberg. Von Korbach aus verlief sie weiter nach Paderborn - Minden - Bremen. Straßen im heutigen Sinne waren diese Handelswege natürlich nicht. Über ihren schlechten Zustand wurde ständig geklagt. Beispielsweise heißt es 1543 in einem für den Landesherrn, Graf Wolrad lI., bestimmten Beschwerdebrief: »Den Reisenden erwachsen ständig große Gefahren, und die Fuhrleute bleiben mit zerbrochenem Geschirr in großen Sumpflöchern stecken. . .«. Der Landesherr pflegte sich seiner Fürsorge dadurch zu entledigen, daß er den nahe den Straßen gelegenen Gemeinden bzw. durch diese die »Landeskinder« verpflichtete, die schlimmsten »Sumpffuhlen« mit Reisig und Steinen zu verfüllen. Andererseits war der Warenverkehr auf den Fernhandelswegen eine gute Einnahmequelle durch das damit verbundene Geleitwesen. Das Recht, reisende Kaufleute durch eine bewaffnete Geleitmannschaft zu schützen und dafür Zoll zu verlangen, hatte sich (ab etwa 1350) zwar der Kaiser selbst vorbehalten, dann aber die waldeckischen Grafen damit belehnt. Die Hansezeit kannte also bereits für die Transporte der Kaufleute, was heute gelegentlich von begehrlichen Politikern erwogen wird, Straßenbenutzungsgebühren.

Damals wie heute war es der Zweck der Straßen, Märkte miteinander zu verbinden. Der Korbacher Altstädter Marktplatz ist ein Beispiel dafür, von welch existentieller Bedeutung ein Markt für die Entwicklung einer Stadt werden konnte. Dadurch, daß er ein Wegekreuz wichtiger Überlandverbindungen darstellte, wurde er zur entscheidenden Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Hanse.

Die großen Steinkammern, die Gasthäuser, das Rathaus und die städtische Waage waren für den Warenumschlag existentiell wichtig. Selbst die Kilianskirche gehörte zur Marktausstattung, denn: »Kein frommer Mann sollte mit Kaufen oder Verkaufen beginnen, bevor die Glocke. . . geläutet hat, sommers um 3 und winters um 9 Uhr. . .« So verlangte es das Soester Stadtrecht. Durch Vorschriften wie diese sollte das Klima des Marktgeschehens im Sinne von Tauschgerechtigkeit beeinflußt werden. Andere nicht minder genaue Vorschriften regelten die Zuverlässigkeit von Maß und Münze. Sie waren in die Obhut der städtischen Obrigkeit gegeben. Die Stadt hatte die Gewichte zu gewährleisten, für die Längen und Hohlmaße verbindliche Vorgaben zu schaffen. Nicht zuletzt trug sie die Verantwortung für die Vollwertigkeit und Wertbeständigkeit der von ihrem Münzmeister geprägten Münzen.

Die Landstraßen waren im Mittelalter gefürchtet. Viele Gefahren lauerten auf den Überlandwegen. Diese Unsicherheiten zu beheben, war eines der frühen Ziele, die die Städte bewogen, sich in der Hanse zu gegenseitigem Beistand zu verbinden. Später dominierten dann die gemeinsamen Handelsinteressen in der Fremde. In Westfalen und in den norddeutschen Städten, aber auch in dem großen Köln, war der Blick auf das Nordmeer gerichtet, wurde der lohnendste Handel zu Schiff betrieben. Die Kaufleute der kleinen Landstädte waren zahlreich daran beteiligt, zumindest als Befrachtende.

Der Kaufmann und seine Diener reisten selbst viel, scheuten nicht gewagte Abenteuer und den Kampf gegen Seeräuber. Gleichsam nebenbei wurden sie zu Gründern von Handelskontoren und neuen Hafenstädten. Was sie an heimischen Erzeugnissen und Arbeiten exportierten, war bedeutend, wurde aber übertroffen vom Rohstoff-Import. Doch ob Exoder Importhandel, immer galt es, sich den Wagnissen zu stellen und den Gefahren vorzubeugen. Diesen übergeordneten Rahmenbedingungen diente also die Verbindung vieler Kaufleute und ihrer Städte in der Hanse. Allerdings: Was mit der Verteidigung gemeinsamer FernhandeIsinteressen begonnen hatte, wurde zunehmend der Eroberung ergiebiger Ausgangspositionen dienstbar gemacht.

Im deutschen Süden, damals als Oberdeutschland bezeichnet, stellte sich die Interessenlage anders dar. Die großen Binnenmärkte um Frankfurt am Main, vor allem aber um Augsburg und Nürnberg, handelten in fast schon moderner Form mit festen Verbindungen vor allem im MitteImeerraum. Mit fremdländischen Waren gelangten Arbeitsweise, Kunstgeschmack, Wissenschaft und verfeinerter Lebensgenuß des Südens nach Oberdeutschland. Die großen Kaufleute unterhielten vielfältige geschäftliche Verbindungen, sogar mit Fürsten und Königen. Die Städte pflegten ihre eigenständigen Handelsinteressen so konsequent, daß sie sich gegen Nachbarstädte abgrenzten. Jede Stadt versuchte, für sich allein zu erstarken. Gründe, sich zu vereinigen, ergaben sich allenfalls, wenn die Unsicherheiten auf den Landstraßen überhandnahmen. Vor allem aber, wenn es erforderlich wurde, in gemeinsamen Verteidigungsbündnissen sich gegen Fürsten und Vasallen zu wehren. Aber Verträge zu schließen, um gemeinsam Handel zu betreiben, gehörte nicht zu den oberdeutschen Gepflogenheiten.

Nach den skizzierten Strukturmerkmalen lassen sich zwei unterschiedliche Wirtschafts- und Handelsgebiete deutlich unterscheiden: Oberdeutschland und der niederdeutsch-hansische Bereich. Ja, die Art der wirtschaftlichen Betätigung grenzte die beiden großen Regionen geradezu gegeneinander ab, obwohl doch eigentlich Handel mehr als jede andere Tätigkeit geeignet ist, Grenzen zu überwinden. Auf den Punkt gebracht stehen sich damals gegenüber: Mittelmeer – Nordmeer sowie Landhandel - Seehandel. Ganz zu schweigen von der noch stärker ausgeprägten »Innenseite« des hansezeitlichen »Nord-Süd-Gefälles«: Fabrikant - Kaufmann, Goldwährung - Silberwährung.

Hätten damals Grenzpfähle den Unterschied zwischen Niederdeutschland und Oberdeutschland markiert, sie hätten Korbach und die kleine Grafschaft Waldeck als Grenzgebiet erkennen lassen. Korbach ist eine der am weitesten südlich gelegenen Hansestädte, denn die Grenze hansischen Einflusses verläuft etwa auf der Linie Andernach am Rhein - Göttingen - Halle - Breslau - Krakau. Einige hundert Kilometer nördlich verläuft die Hauptachse der Hanse entlang einer Linie aus den Hafenstädten Brügge - Antwerpen - Hamburg - Lübeck - Reval - Nowgorod. Verhältnismäßig wenige Querverbindungen erschließen den Raum dazwischen. Korbach liegt an einer solchen Nord-Süd-Straßenverbindung. Als Querverbindungen haben Straßen jedoch geringere Bedeutung, verglichen mit den nach Norden fließenden Flüssen. Vor allem der »Rheinschiene « fällt so etwas wie eine Vermittlerrolle zwischen den abgegrenzten Wirtschaftsregionen zu. In dieser Ausgleichsfunktion hält Köln eine herausragende Sonderstellung. Köln, das immer einen so weiträumigen Handel betrieb, daß es sich mehr oder weniger distanziert in die Hanse einfügte, beherrscht bzw. beeinflußt das wirtschaftliche Geschehen eines ausgedehnten Um- und Hinterlandes. Das weit entfernte Korbach (und ähnlich Medebach) markiert einen der am weitesten östlich gelegenen Vorposten.

Die vorangegangenen Kapitel haben erkennen lassen, daß zwar nicht genau datiert werden kann, wann die Hanse für die Grafschaft Waldeck Bedeutung erlangte, unverkennbar aber hat mit ihr ein neues Zeitalter begonnen.



Wie sehr die Prägung eigenen Geldes dem Selbstverständnis der bürgerschaftlich verwalteten Stadt Korbach entsprach, zeigt die Intensität, mit der die Münzprägung betrieben wurde. Stadtchronist Wolfgang Medding beschreibt 17 verschiedene Korbacher Münzen aus dem Zeitraum von 1180 bis 1344. Zahlreiche Stücke davon sind im Heimatmuseum zu bewundern. In der »Sammlung Grönegreß der Sparkassenstiftung Waldeck« ist die ganze Dauer des Hansezeitalters durch Münzen repräsentiert. Das 14. bis 16. Jahrhundert ist mit 30 Exemplaren vertreten. Die Korbacher Prägungen werden ergänzt von 6 auswärtigen, die eine zeittypische Besonderheit darstellen: gegengestempelte Münzen. Das Ende der Korbacher »Münzherrlichkeit« wird durch recht unterschiedliche Exemplare von Mariengroschen und Dreibätznern aus nur drei Prägejahren (1566 bis 1568) markiert.


© 1986 Helmut Richter
aus: Korbach – die Stadt, die Hanse und das Geld

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